Vorläufige Arbeitsversion zu:

Mitteilungen aus dem Genealogischen Archiv Kreplin Nr. 23

 

Verfasser: Klaus-Dieter Kreplin, zum Nordhang 5, D-58313 Herdecke

©12.2012        Klaus-Dieter Kreplin  ISSN 0933-7148         Reihe … Nr. …

 

 

Ein Rundgang durch die Marienkirche in Anklam mit ihren mittealterlichen Wandmalereien

 

 

Als ich im Sommer 2011 nach langer Zeit wieder einmal nach Anklam kam und zum ersten Mal die Marienkirche von innen besichtigen konnte - die „Hauskirche“ meiner Vorfahren für über 250 Jahre -, da war ich erstaunt über die großartigen gotischen Malereien, die ich in diesem Umfang noch nirgendwo gesehen hatte. Und unverständlich war mir auch, daß in keinem mir bekannten Prospekt der Stadt Anklam, des Landes MV oder der „Straße der Backsteingotik“, der wir auf dieser Reise zum Teil folgten und die sonst doch sehr auf derartige Kunstwerke wert legt, auf diese einmaligen Malereien hingewiesen wird. Allein in einer versteckten Broschüre von Gerhard Becker, "Zu den Heiligenfiguren in den Arkaden der Marienkirche in Anklam", wird auf diese Malereien eingegangen (zu finden unter http://pfr-g-becker.de/pdf/Kalender-norm.pdf bzw. https://museum-im-steintor.museumnet.eu/sites/museum-im-steintor.museumnet.eu/files/archivalie/digitalisatepublic/kalender-norm.pdf   ).

An dem einen Tag in Anklam habe ich versucht, so viel wie möglich von diesen Malereien photographisch einzufangen. Ohne Stativ oder Benutzung eines Blitzes war das nicht so einfach, und der strahlende Sonnenschein durch die Fenster ließ zwar einige Farben kräftig leuchten (siehe Bild 19 und 20 im Vergleich), aber die Kontraste zu den Teilen im Schatten waren nur schwer beherrschbar. Den Anfang bilden Bilder der Kirche von außen und der Maskenköpfe am Eingang (siehe auch oben).

Auf eine eigene Beschreibung der Bilder habe ich verzichtet, stattdessen wird der Bericht über Wandmalereien aus dem Anklamer Heimatkalender von 1939  im Anhang mit abgedruckt.

Ergänzend sei noch auf die Zeitschrift „Pommern“ Heft 4/2012 hingewiesen, in dem auf S. 28-31 ein kurzer Bericht über ein Projekt zur Erforschung der  Baugeschichte und Kirchenausstattung der Anklamer Marienkirche steht, dem eine ausführlichePublikation folgen soll.

Durch Klicken auf die Bilder kann eine größere Version angezeigt werden.

 

 

 

 

 

 

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Die Wandmalerei in der St. Marienkirche zu Anklam.

Dr. Gerhard, Stettin.

Heimatkalender Anklam 1939, S.59-61

 

Als im Herbst des Jahres 1936 das Innere der Marienkirche hergerichtet werden sollte, wurden umfangreiche mittelalterliche Wandmalereien an den Pfeilern und Arkaden des Langhauses freigelegt, deren Erhaltungszustand vorzüglich war. Der Stil der Malereien weist auf das Ende des 14. Jahrhunderts, eine Zeit, in die auch mit größter Wahrscheinlichkeit der einheitliche Bau des sechsjochigen Langhauses fällt, dessen Errichtung ein Jahr nach dem Brande der Stadt 1374 oder 1384 angenommen werden muß,

Die Malerei gliedert sich in wunderbarer Form in den architektonischen Rhythmus der Pfeiler und Arkaden des Langhauses ein; während die achteckigen Pfeiler in der Hauptsache den reichen ornamentalen Schmuck aufnehmen, zeigen die Mittelfelder der dreiseitigen Arkadenbögen figürlichen Schmuck, Heiligengestalten, die unter reich verzierten architektonischen Baldachinen stehen. Die Schrägseiten der Arkadenbögen sind wiederum mit Ornamenten besetzt. Gerade diese Ornamente sind es, die unfern Blick besonders fesseln. Streng geometrische Flächenaufteilungen wechseln mit stilistischen Ranken und sonstigen pflanzlichen Motiven ab. Schachbrettmuster, Zickzackfriese, Akanthusblätter, Quadrate, die die gotische Rose umschließen, reich gegliederte sanken-, Flecht- und Bandornamente, welche zum Teil durch seltsam übersinnliche und sagenhafte Gestalten in graziöser .Haltung belebt werden. Gerade in dieser ornamentalen Vielfalt zeigt sich in den Anklamer Malereien etwas Besonderes, bisher - wenigstens im 14, Jahrhundert - kaum Gekanntes. Während uns in der hochgotischen Epoche nur naturalistische Dekorationen, wie Lilien und Weinblattranken bekannt sind, die sich in lichter und farbig wenig deckender Form über die Fläche verbreiten, zeigt sich hier das stilisierte Blatt, das geometrische Muster, die ganze Fläche bedeckend. Hinzu kommt „die Lust am Fabulieren", die sich in herzhaften Gestalten am Rankenwert zeigen und die auch die reichen Formen der Baldachine in den Arkadenleibungen von ihrer architektonischen Gebundenheit löst, um sich in fantasievollen vegetabilischen Formen auszulösen. Dies alles gehört keineswegs in den naturalistischen Formenkreis des 14, Jahrhunderts, sondern darf ersichtlich als Erinnerung an eine frühere Zeit deutscher Kunst gewertet werden. Man denkt an romantische, etwa an niedersächsische Buchmalereien des 12. und 13. Jahrhunderts, ja noch weiter zurück an englische, vor allem irische Miniaturen, deren teilweise Anlehnung an germanisches Formengut unverkennbar ist. Damit zeigen sich Zusammenhänge, denen weiter nachzugehen sich lohnen würde. Man könnte sich durchaus vorstellen, daß diese Miniaturen noch nach Jahrhunderten in niedersächsischen Kolonisationsgebieten als Vorlage für Monumentalmalereien benutzt worden sind, ein Arbeitsvorgang, der besonders im frühen Mittelalter durchaus gebräuchlich war.

Säulengang

Aufnahme: Bildstelle des Denkmalamtes der Provinz Pommern (2)

Demgegenüber tragen die figürlichen Gestalten unverkennbar den Stilcharakter des ausgehenden 14. Jahrhunderts in Norddeutschland, Die lebendige und aufgelockerte Biegsamkeit der Gestalten, die graziöse und schwungvolle Zeichnung der Umrißlinien und der lasierende Farbauftrag fügen das Ganze zu einem Stimmungsakkord von unvergleichlicher Schönheit zusammen. Außer den Figuren an den Arkadenbogen weisen noch, einige Pfeiler an ihren unteren Westseiten in etwa 2 bis 3 Meter Höhe figurenreiche Kreuzigungen auf, die offenbar früher die Bedeuuing eines Altarbildes für Nebenaltäre an dieser Stelle gehabt haben.

Ein Detail aus der wiedererstandenen Malerei an einer Säule

Der Eintretende wird beim ersten Blick über die zurückhaltende farbige Gesamtstimmung erstaunt sein. Hierbei ist jedoch zu bedenken, daß die Malereien erst unter einer mehrschichtigen Kalktünche hervorgeholt werden mußten und daß die Entfernung des letzten, Kalkschleiers ohne Eingriffe in die Farbsubstanz nicht möglich gewesen wäre. Andererseits gebot das gegenüber den Restaurierungsmethoden früherer Jahrzehnte angewandte Konservierungs- und Sicherungsverfahren, daß es bei einer reinen Freilegung verblieb und daß von jeder zusätzlichen farbigen Uebermalung der alten, zum Teil in reiner Freskotechnik aufgetragenen Erdfarbe abgesehen wurde. Einige geringfügige farbige Ergänzungen fanden nur an den unteren Teilen einiger Pfeiler und an einigen Schrägflächen der Arkadenbogen statt. Im übrigen steht das gesamte dekorative System heute in seiner ursprünglichen mittelalterlichen Form und Farbe vor uns und niemand wird sich dem lichten und freundlichen Gesamteindruck, den dieser mittelalterliche Raum heute zurückläßt, entziehen. Gegenüber den vielen mißverstandenen Restaurierungen anderer mittelalterlicher Wandmalereien bietet uns der Anblick dieses Innenraums heute ein geschlossenes Bild der künstlerischen Einheit von Farbe und Architektur im Mittelalter.

Es ist für den Denkmalpfleger eine seltene Ueberraschung, eine so umfangreiche mittelalterliche Ausmalung in so lückenloser und guter Erhaltung freizulegen. Wir dürfen in diesen Anklamer Malereien heute wohl den besterhaltenen und wertvollsten Schatz früher Monumentalmalerei in Deutschland erblicken. Die grüßen Zyklen, die wir sonst noch kennen, so in Kolberg, Stralsund, Lübeck und Schleswig, sind meistenteils nur als Bruchstücke eines großen Systems erhalten und dazu zum Teil durch Uebermalung des 19. Jahrhunderts in ihrem ursprünglichen Wert sehr beeinträchtigt. Wir dürfen uns daher mit Recht freuen, daß wir diesen Schatz gerade in Pommern und in Anklmn entdecken durften und wollen hierbei auch nicht der mühevollen und hingebenden Arbeit des Kirchenmalers Hans Hoffmann-Finkenwalde, vergesse», die dieses Kunstdenkmal für die Nachwelt erhalten hat. Diese Malereien bedeuten nicht nur eine Erweiterung des kunstgeschichtlichen Bildes des Kreises Anklam, sondern bilden einen wesentlichen Beitrag für die Geschichte der norddeutschen Malerei des 14. Jahrhunderts.